Das „ultimative“ Fotografie-Erlebnis?
Am 6. April 2024 veranstaltete der japanische Konzern Fujifilm, Hersteller erlesener Kameras und Objektive, eine eigene Hausmesse, die sich ausschließlich an den Konsumenten richtete. „Die FUJIKINA Berlin ist weit mehr als eine herkömmliche Produktpräsentation“, hieß es auf der Web-Seite. Man hatte eine breite Palette an Angeboten vorbereitet, um den kauffreudigen Foto-Enthusiasten bei Laune zu halten. Es gab Workshops, Fotospaziergänge und eine ganze Reihe von Vorträgen, zu denen man die klickstarken Youtube-Influenzer verpflichten konnte.
Hunderte Interessierter bevölkerten schon vor Eröffnung des Hotels „Telegraphenamt“ die Berliner Monbijoustraße. Dank fähiger Organisatoren befand man sich schnell in den Innenräumen. Schlangen bildeten sich und der an Ordnung gewöhnte Bürger stellte sich an, oft ohne zu wissen, worum es bei der jeweiligen Wartegemeinschaft überhaupt ging. Mit fortschreitender Veranstaltung hatten die Teilnehmer zumeist erkannt, dass es sich lohnte, zuvor nachzufragen, ob es hier wohl einen Kaffee gäbe oder ob man sich eines der begehrten Exponate leihen könnte.
Man hatte sich von Fujis Seite nicht lumpen lassen. Die gut durchorganisierte Show ließ auch den letzten Zweifler zu der Einsicht gelangen, dass Fujifilm längst in der Profiliga angekommen ist, und das mit einem Konzept, dass sich von denen sämtlicher Konkurrenten unterscheidet. Die Kameras erinnern selbst in ihrer modernsten Variante, der X-S20, an die gute alte Zeit der Fotografie. Sie kommen im „klassischen“ Design daher und sind samt und sonders auf allerhöchstem Niveau verarbeitet. Irgendwelche rundgelutschten Plastikbomber (Canon) oder auf reine Funktionalität ausgerichtete Technikbriketts (Sony 6000er) sucht man bei Fuji vergebens. Man legt viel Wert auf eine edle Haptik. Die Kameras sind vollgepackt mit technischen Innovationen und der Anwender darf immer wieder gespannt darauf sein, was die japanischen Konstrukteure als nächstes aushecken. Letzter großer Wurf war die X100IV, die sich an die Tradition längst vergessener Messsucherkameras anlehnt. Wie schon der Vorgänger X100V ist das Modell schlecht lieferbar, zugleich heiß begehrt, ein Phänomen, das man im Zeitalter kapitalistischer Überproduktion allenfalls von Apple-Produkten kennt.
Es gelang mir, am belagerten Kamerastand eine X-T5 in die Hand zu bekommen und mit eigener Karte bestückt ein paar Testfotos zu schießen. Die Ergebnisse waren ernüchternd. Offenbar sind die vierzig Megapixel eine Herausforderung und verlangen Sorgfalt bei den Einstellungen. Die Fotos sind verwackelt, die Farben schrill und lassen den typischen „Fuji-Look“ vermissen, den der Knipser seit über einem Jahr zu schätzen gelernt hat.
schlechte Fotos mit der X-T5
Der Veranstalter hatte zwar die Möglichkeit eingeräumt, sich einen Fotoapparat nach eigener Wahl auszuleihen, aber der Ausgabepunkt wurde von Interessierten derart belagert, dass der Verzicht nicht schwer fiel. Es lohnte nicht, sich ein oder zwei Stunden in die Schlange einzureihen. Viel lieber genoss ich die Atmosphäre und das bunte Treiben, das in Teilen Ähnlichkeit mit einem Jahrmarkt hatte. Im Foyer jonglierten zwei Artisten mit allerlei Gegenständen, Supermodels machten die Runde und stellten sich den Lichtbildnern in einem improvisierten Fotostudio bzw. auf dem sonnendurchfluteten Areal am Hinterausgang zur Verfügung. Ein paar Anbieter von Zubehör zeigten ihr Portfolio. Man konnte sein eigenes Gerät warten lassen und der Berliner Großist Foto Meyer, eine letzte Bastion des Fotofachhandels, versuchte mit einem bescheidenen Stand und fünf Prozent Sonderrabatt, auf sich aufmerksam zu machen.
Vielgestaltig waren die Vortragsangebote von „Wie fotografiere ich im Urlaub“ über den korrekten Umgang mit Licht, Tipps zur Fotonachbearbeitung bis hin zur Haustierfotografie. Die Stars der Bühne waren zweifellos Martin Krolop und Stefan Wiesner. Krolop widmete sich dem „Fujifilm-Effekt“, den der Knipser selbst mit dem ersten Kontakt zu einer X-Pro1 vor über einem Jahr erlebte. Der Redner, eigentlich Jurist, outete sich als Autodidakt. Sein Agieren auf der Bühne zeigte ihn als „Rampensau“, die gekonnt das Publikum auf ihre Seite zog und mit viel Humor die Philosophie der Marke analysierte. Ganz anders und weniger locker als gewohnt Stefan Wiesner, der mit über 200.000 Abonnenten wohl erfolgreichste Youtuber in Sachen Fotografie. Das leichte Lampenfieber, zu dem sich Wiesner auch bekennt, zeigt den in seinen Videos obercoolen Akteur als Mensch. Er sprach über seine Reiseerfahrungen mit der X100VI, gab technische Ratschläge und erläuterte den Stellenwert, den diese Kompaktkamera der gehobenen Klasse unter ihren Mitbewerbern einnimmt.
Martin Krolop (Krolop&Gerst)
Stefan Wiesner (Zielfoto)
Ein Tag mit Fujifilm ist kein Tag wie jeder andere! Mit einem Schlag katapultiert es den alltagsgeplagten Zeitgenossen in eine ungewohnte Umgebung mit unbekannten Menschen und einem Hauch der großen Fotowelt mit ihren Schönheiten, entfernten Gegenden und ihrem Glanz und Glamour. Die wirkliche Welt ist eine andere und so mancher Knipser hat sich längst auf den Weg begeben, die trüben Momente des Lebens in der überdrehten, durchdigitalisierten Massengesellschaft per Lichtbild einzufangen. Gottlob!
Alle Fotos mit Canon R10/ RF 70-200/F2,8